Illegale Arbeit und unlauterer Wettbewerb: Könnte eine Plattform die Situation verändern?

Die Akteure der Bauwirtschaft kämpfen gegen Auswüchse und Betrügereien, die ihrem Sektor Schaden zufügen. Die Plattform eBadges ist ein vielversprechendes Modell. Sie ist Ausdruck einer neuen Art von Partnerschaft, in der öffentliche und private Organe eng zusammenarbeiten. Erläuterungen zur Bedeutung des Projekts und Präsentation der Partner, die an der Umsetzung beteiligt sind.

Mehr als eine Milliarde Franken: Das ist gemäss Schätzungen des Kantons der jährliche Umsatz der nicht gemeldeten Arbeit in der Walliser Bauwirtschaft. Neben den Projekten und Aufträgen, die den korrekten Unternehmen entgehen, destabilisiert dieser enorme Verlust den Markt und fördert das Lohndumping sowie Verstösse gegen die Gesamtarbeitsverträge. In Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern versucht der Staat Wallis diesem Phänomen mit einem starken Kontrollinstrument zu begegnen. Es handelt sich dabei um die zentralisierte Plattform eBadges, die vorerst ermöglicht, das korrekte Verhalten der Unternehmen der Bauwirtschaft im Rahmen der Ausschreibungen des öffentlichen Beschaffungswesens zu überprüfen.

Diese vielversprechende und exemplarische Vision wird von der Branche sehr begrüsst. In einer zweiten Phase sollen auch die Privatpersonen dazu angeregt werden, dieses System zu nutzen. Der Kanton Wallis koordiniert sein Vorgehen ausserdem mit dem Kontrollprojekt auf nationaler Ebene. Dieses wird vom Verband SIAC-ISAB geleitet und umfasst zahlreiche kantonale und regionale paritätische Berufskommissionen. Es handelt sich in der Schweiz um eine Premiere mit Vorteilen für die gesamte Branche, den Staat, die Unternehmen und die Arbeitnehmer.

Reaktiver Staat

Im Mai 2021 wurde Mathias Reynard, Chef des Departements für Gesundheit, Soziales und Kultur (das ebenfalls die Dienststelle für Arbeitnehmerschutz und Arbeitsverhältnisse DAA umfasst) von den Sozialpartnern kontaktiert. Rasch erkannte er die Bedürfnisse und das Potenzial des Projekts eBadges.

«Die Fragen der Schwarzarbeit und des unlauteren Wettbewerbs sprechen mich als ehemaligen Gewerkschafter zwangsläufig an. Seit dem letzten Jahr haben wir diesem Projekt Priorität eingeräumt, um es so rasch wie möglich umsetzen zu können. Das Dossier wird gegen Ende dieses Jahres dem Grossen Rat vorgelegt und wir verfügen über das notwendige Budget für die Pilotphase des Projekts im Jahr 2023. Die definitive Umsetzung ist dann im Jahr 2024 geplant.»

Wer macht was?

Aufgrund seiner Tragweite und seiner Ambition bricht das innovative Projekt eBadges mit den bestehenden Systemen, da es alle betroffenen Akteure rund um dieselbe Plattform vereinigt. Eines der Ziele besteht darin, dass zwischen allen Organen, die sich mit dem Problem der Arbeitsregulierung befassen, eine vollkommene Offenheit besteht. Dies betrifft zum Beispiel die Kontrollen auf den Baustellen, die administrativen Überprüfungen in Zusammenhang mit der Einhaltung der GAV und die Massnahmen in Bezug auf die berufliche Vorsorge.

Hinter eBadges steht also der Staat Wallis, der über die Dienststelle für Arbeitnehmerschutz (DAA) die gute Praxis regelt und den gesetzlichen Rahmen für die Branche vorgibt. Ein anderes involviertes staatliches Organ ist die Kantonale Beschäftigungsinspektion (KBI), die der DAA angegliedert ist. Sie ist gemäss den vom Kanton vorgegebenen Zielen und Prioritäten mit der Durchführung der Kontrollen in Bezug auf die Schwarzarbeit beauftragt.

Neben den kantonalen Organen sind die verschiedenen Sozialpartner Initiatoren des Projekts. In jeder Branche der Bauwirtschaft, die über einen GAV verfügt, sind sie durch paritätische Berufskommissionen (PBK) vertreten. Ihre Aufgabe besteht in der Beratung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Bezug auf das Arbeitsrecht und in der Mediation bei Streitfällen. Die PBK stützen sich im Übrigen auf den Verband zur Verstärkung der Baustellenkontrollen (VVBK), der mit sechs Kontrolleuren jeden Samstag insbesondere Kontrollen im Wallis durchführt.

Vielversprechende Synergien

«Gerade aufgrund dieser öffentlich-privaten Dimension ist das Projekt interessant», betont Anthony Lamon, Arbeitgebersekretär und Jurist beim WBV. «Der Staat hat den richtigen Ansatz gewählt, indem er die Sozialpartner und die aus ihnen hervorgegangenen privaten Organisationen einbezogen hat. Diese Konfiguration macht gerade die Stärke von eBadges aus. Sowohl Gewerkschaften als auch Direktoren von Unternehmen sitzen am gleichen Tisch. Die Bekämpfung von Betrug und Auswüchsen in Zusammenhang mit Schwarzarbeit und unlauterem Wettbewerb ist sehr komplex. Diese Zusammenarbeit ermöglicht eine breit abgestützte und professionelle Expertise.»

Der WBV kennt das Thema sehr gut und hat bereits zahlreiche Kontrollen im Bereich des Rohbaus durchgeführt. Deshalb wird er eine Pilotphase des Projekts eBadges in Zusammenhang mit der Überwachung der Baustellen durchführen.

Grosses Potenzial

Jeanny Morard, ehemaliger Generalsekretär der Unia und Ex-Präsident des VVBK, teilt diese Begeisterung. Er sieht im eBadges sogar ein neues Modell, das über die Ausschreibungen des öffentlichen Beschaffungswesens im Wallis hinausgehen könnte.

«Gegenwärtig sind die bestehenden Kontrollsysteme zwischen den verschiedenen Akteuren, die ihren eigenen Badge verteilen, zu stark zersplittert. Mit eBadges wird sich das ändern, was die Glaubwürdigkeit und die Zuverlässigkeit enorm stärken kann. Das Projekt umfasst alle privaten und öffentlichen Akteure, die in die Regulierung des Markts involviert sind. Es muss deshalb auch und vor allem als Modell für eine weitergehende Entwicklung dienen. Höchstwahrscheinlich werden nach dem Staat auch die grossen Investoren und Privatgruppen bei ihren Ausschreibungen auf diese Plattform zurückgreifen, um die Unternehmen auszuwählen. Das ist im Übrigen bei einigen grossen Projekten bereits der Fall: Sie benutzen die gegenwärtig bestehenden Badges. Dieses neue Instrument muss aufzeigen, dass eine solche Plattform möglich ist, so dass sie anschliessend nicht nur in der Bauwirtschaft, im öffentlichen Beschaffungswesen und im Wallis eingesetzt werden kann.»

Eine Vision, die auch von Mathias Reynard geteilt wird. «Wir haben uns vorerst auf die Bauwirtschaft und das öffentliche Beschaffungswesen konzentriert, damit wir das Projekt rasch umsetzen können. Aber die Problematik der Schwarzarbeit und des unlauteren Wettbewerbs betrifft auch die privaten Projekte und andere Berufsbereiche. Wir sind uns dessen bewusst und das Projekt eBadges ist ein Modell, das sich in naher Zukunft auch auf andere Aufträge und Bereiche ausweiten kann. Zudem sind wir zuversichtlich, dass sich unser System positiv auf den Markt auswirken wird. Es ist zum Beispiel möglich, dass Unternehmen, die nicht über diesen Badge verfügen, künftig Probleme mit der Anstellung von Personal haben werden. In diesem Sinn kann eBadges den Arbeitnehmern als Anhaltspunkt dienen, um sich von Unternehmen anstellen zu lassen, die mit dem System konform sind. Im Wallis verfügen wir glücklicherweise über eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft mit einem verbindenden Dialog zwischen Behörden, Unternehmen und Sozialpartnern. Inspirieren wir deshalb auch andere Bereiche und Regionen.»

Transparenz und Datenaustausch

Die Einhaltung der Zahlung von Soziallasten, die Einhaltung der von den GAV diktierten Bestimmungen oder auch die Gültigkeit der Arbeitserlaubnis der Angestellten sind allesamt Aspekte, die auf der eBadges-Plattform enthalten sein sollten. Es geht dabei zum Teil um sensible Daten, die insbesondere in Zusammenhang mit der Arbeitserlaubnis die Privatsphäre betreffen. Deshalb ist der kantonale Datenschutzbeauftragte um eine Stellungnahme zum Projekt gebeten worden. Er hat sich positiv geäussert, so dass weitergearbeitet werden kann. «Wir haben den Datenschutzbeauftragten bereits in den ersten Phasen des Projekts einbezogen», betont der Chef des Departements für Gesundheit, Soziales und Kultur. «So steht unser Projekt in Einklang mit den aktuellen Anforderungen und antizipiert gleichzeitig bereits die neuen Vorschriften, die noch vor der Einführung der Plattform in Kraft treten werden.»

«Es handelt sich um ein weiteres Schlüsselelement des Projekts, denn der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Organen, die in die Kontrolle und Regulierung der Branche involviert sind, ist gegenwärtig nicht optimiert», erläutert Jeanny Morard. «Künftig wird es möglich sein, die korrekte Führung eines Unternehmens, sowohl in administrativer als auch in praktischer Hinsicht, von einem einzigen System aus zu überprüfen.»

Für die Unternehmen ist das Projekt natürlich eine interessante Garantie in Bezug auf das unternehmerische und wirtschaftliche Fairplay sowie den Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb. eBadges soll es auch ermöglichen ihnen die administrative Arbeit zu erleichtern. Nachdem sich das Unternehmen registriert und die notwendigen Dokumente vorgelegt hat, braucht es nichts mehr zu tun. Die zahlreichen administrativen Schritte, die gegenwärtig noch nötig sind, fallen weg. Der Staat hat bereits über zwei Plattformen eine Vereinfachung eingeführt: Einerseits ermöglicht BKMS der Öffentlichkeit, den zuständigen Organen alle sachdienlichen Informationen über mutmasslichen Betrug bei Sozialversicherungen oder Steuern, im Ausländerrecht oder bei der Nichteinhaltung von Gesamtarbeitsverträgen zur Kenntnis zu bringen. Andererseits enthalten die ständigen Listen ein aktualisiertes Register der vom Staat und von den Partnern kontrollierten und validierten Arbeitgeber.

Der Schiedsrichter der Bauwirtschaft

Der Verband zur Verstärkung der Baustellenkontrollen (VVBK) wurde 2016 von den verschiedenen paritätischen Berufskommissionen des Sektors gegründet. Seine Arbeit konzentriert sich vor allem auf die Problematik der Samstagsarbeit. Jede Woche sind sechs Kontrolleure auf dem gesamten Kantonsgebiet tätig, um Baustellen zu kontrollieren. Es handelt sich um ein effizientes Mittel im Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb. Gleichzeitig spielt der Verband eine zentrale Rolle als Mediator zwischen den verschiedenen Akteuren der Branche.

«Wir überwachen besonders Baustellen, bei denen ein Verdacht besteht oder entsprechende Informationen vorliegen», betont der neue Präsident des Verbands, Paul Bovier. «Gewisse Unternehmen betrachten das Wallis zum Teil noch als Far West. Wir erinnern sie daran, dass sich unser Kanton aktiv gegen die Schwarzarbeit und den unlauteren Wettbewerb einsetzt und dass wir einen sozialen und verbindenden Dialog mit Gewerkschaften, Unternehmen und Behörden pflegen.»

Wichtige Mediation

Der VVBK führt auf dem gesamten Kantonsgebiet jährlich rund 500 Kontrollen durch. Aufgrund seiner bedeutenden wirtschaftlichen Entwicklung ist das Unterwallis für die Unternehmen sehr attraktiv. Deshalb wird diese Region besonders überwacht. Bei Verstössen riskiert der Arbeitgeber eine Busse von 500 Franken pro Arbeitnehmer. Für den Arbeitnehmer beträgt die Busse 600 Franken. Zu diesen Beträgen kommen Kontroll – und Verfahrenskosten von mindestens 100 Franken zu Lasten der Zuwiderhandelnden hinzu. Schliesslich werden im Wiederholungsfall die Beträge verdoppelt.

Neben den Kontrollen wirkt der VVBK auch als Mediator zwischen allen beteiligten Parteien. Vor Kurzem hat er zum Beispiel bei der Lonza-Gruppe interveniert, um eine Charta mit einem reglementarischen Rahmen für die massiven Arbeiten einzuführen, die der Industriegigant im Oberwallis ausführen lässt. Der Dialog ist konstruktiv verlaufen und die Gruppe hat sich schliesslich dazu verpflichtet, den GAV am Ort der Arbeitsausführung einzuhalten.

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